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XXTrem, Mittwoch, 1. September 2004
von Hauptmeier Ariel

Stehend k.o.

was macht Profiboxer a. D. Sven Ottke auf dem Dach Afrikas?

Das, was alle auf dem Kilimandscharo erleben wollen:

Höhepunkte! 

Sven Ottke auf dem Kilimanjaor
Sven Ottke auf dem Kilimanjaor

Stirnlampe, sehe, dass er nur mit den Ballen auftritt und nicht mit dem ganzen Fuß. Als wolle er den Kilimandscharo hinauftänzeln. Aber gut, der Mann ist Boxer, heißt Sven Ottke, der hat wahrscheinlich die Kraft dazu. Trotzdem. So ein Blödsinn, so seine Energie zu verschwenden. So wandert man doch nicht, denke ich, man muss doch den ganzen Fuß aufsetzen. Ich denke: Das macht die Packerei, diese monotone Packerei des Wanderns in so großer Höhe, dass ich jeden Gedanken zehnmal denken muss. Manchmal tauchen Erinnerungen auf, Butler von Menschen oder Orten, aber ich verdränge sie gleich wieder, denn diese Gedanken lenken ab und, rauben Energie, die ich brauche für den nächsten und den nächsten und den nächsten Schritt. Dann lieber Plattitüden. Ich denke: Wozu denken, es ist doch auch schön, einmal nichts zu denken, ich denke jetzt einmal lieber nichts, lieber alle Energie für den Körper aufsparen, er braucht sie, der Kopf muss jetzt bitte mal ruhig sein. Und das ist schon die nächste Gedankenschleife.


Mein Gott, sind meine Füße kalt! Habe ich jemals so kalte Füße gehabt? Ich balle die Zehen zusammen, bei jedem Schritt, rechts, links, rechts, so müsste doch Blut hineingepumpt werden, sie müssten doch allmählich wärmer werden. Wenn ich nur schneller gehen könnte! Ein bisschen aufs Tempo drücken, das wäre es. Aber keine Chance, bei dieser dünnen Luft. Ich bin ja so schon völlig außer Atem - und das bei diesem Schleichtempo. Weil wir wie in Trance gehen, wie in Zeitlupe. Nein, das Tempo ist schon richtig, bald sind wir auf

5.000 Metern, da sollte man langsam machen. Wie kalt mir ist! Ich habe alles angezogen, was ich habe, zwei Paar Socken, zwei Hosen, zwei Flauschpullover, Windjacke. Handschuhe. Mütze. Hätte nie gedacht, dass das nicht reicht.

Ich denke: Die letzten Stunden am Kilimandscharo sind wie ein langer, schwarzer Tunnel, in dem man ganz allein ist, allein mit seinem Keuchen und den eisigen Füßen und seinen Hirngespinsten. „Ich habe einen tierischen Ast“ sagt jetzt Ottke, der Satz hallt durch die Stille, ich muss was essen." Er schnallt seinen Rucksack ab und holt einige Müs lischnitten heraus und eine Flasche mit einem Energiegetränk. Dismas, unser Führer, der gerade zum 134. Mal den Kilimandscharo hinaufstapft, setzt sich auf einen Stein. Ich packe meine Thermoskanne aus, trinke einen Becher heißen Tee und esse einen Riegel Schokolade. Wie gut das tut! Als ginge in dem langen Tunnel plötzlich das Licht an. 

Aufstieg am zweiten Tag
Aufstieg am zweiten Tag

Einige hundert Meter unter uns sind zwei Lichter zu erkennen. Das ist Paul Friedrich mit seinem Führer. Paul, der Reiseunternehmer, der die Tour organisiert hat, der die sieben Journalisten und Ottke, den ehemaligen Box-Doppelweltmeister, dazu eingeladen hat. Ob Paul es schafft? Die Hö he setzte ihm mächtig zu, schon kurz nach dem Aufbruch auf 4.500 Metern blieb er zurück. Weiter oben bewegen sich mehrere Lichter, da gehen die restlichen fünf aus unserer Gruppe, zusammen mit ihren Führern. Sie sind zwei Stunden eher los als wir. Um 6 Uhr, wenn die Sonne aufgeht, sollen alle am Kraterrand zusammentreffen, auf 5.700 Metern, hat Honest, der Oberführer, ausgetüftelt.

Weitergehen. Weiter. Schritt. Für. Schritt. Silbriges Mondlicht, schwarze Lava, schmale Serpentinen. Wieder hinein in den dunklen Tunnel, in dem es kalt und einsam ist und die Gedanken kreisen. Vor fünf Tagen sind wir am Machame Gate aufgebrochen, auf 1.800 Meter Höhe, in einem riesigen Durcheinander aus Gemüsekörben, Konservendosen, Eierpappen, Gaskartuschen, Zeltgestängen. Ganze Anhänger voller Essen und Ausrüstung wurden in Nylonsäcken verstaut, die sich die Träger auf die Schulter oder auf den Kopf hievten. 28 Träger, sieben Ober-, Unter- und Neben-Guides, ein Koch und ein Butler würden uns bei dieser Zelt-Safari begleiten, auf der Machame-Route, auch Whisky-Route genannt, weil sie exklusiver und schöner ist als die überlaufene Marangu- oder „Coca-Cola-Route".

Vom Äquator in die Arktis. Am ersten Tag durch nebeligen, tropfnassen Regenwald. Kreischende Affen, lange Bärte an Baumriesen - graugrüne, meterlange Flechten. Bloß nicht ausrutschen auf dem schlammigen Weg! Am zweiten Tag durch eine Art Heidelandschaft. Krächzende Dohlen mit weißem Hals und schwarzen Schnäbeln. Und eine braun-schwarz gestreifte Maus. Dann das Hochmoor, aus dem feurig-rote Lilien zwischen Wacholdersträuchern und Erika hervorglühen. Die ersten Lobelien und Senecien, Pflanzen wie aus dem Feenland, die nur am Kilimandscharo wachsen. Riesen-Lobelien, mit meterhohen Blüten, die wie Kerzen aus struppigem Blätterwerk emporragen, Riesen-Senecien, an deren schlankem Stamm sich ein Schopf ledriger Blätter auffächert, als wären sie zur Hälfte Kaktus, zur Hälfte Palme. Meist herrschte Nebel und einmal rief Ottke: „Geil, voll die Totenlandschaft!" So verging der dritte Tag.

Am Morgen des vierten Tags, als alle noch schliefen, konnte man Schritte hören zwischen den Zelten. Es war Ottke, der nicht schlafen konnte und seinem Ärger darüber lautstark Luft machte. „Ich habe gefroren wie ein Schneider. Und ich habe wieder kein Auge zugetan. Seit vier Tagen haben wir nicht geduscht. Wenn es nach mir ginge, würden wir jetzt sofort hinauf zum Gipfel gehen." Es war Ottkes erste große Bergtour und ihm war nicht wirklich klar, auf was er sich einließ, als die Einladung von Paul kam. Der Ex-Boxer ist ein prima Kerl, er scherzt mit den Guides und abends beim Essen erzählt er lustige Geschichten, doch regelmäßig bricht in ihm der Einzelkämpfer durch, dann wird er ungeduldig und dann rennt er vorneweg und erreicht Stunden vor den anderen das nächste Camp. „Ich bin mehr der Cluburlauber", hat er gesagt, „die Kälte, der Dreck, diese Strapazen beim Bergsteigen, dafür musst du geschaffen sein. Mein Ding ist es nicht." Dabei war dieser Morgen so schön. Ich öffnete das Zelt - und alles war weiß. Raureif bedeckte den Boden und die gelben Grasbüschel. Oben, ganz oben, glänzten die Gipfelgletscher des Kilimandscharo in der Morgensonne. Jetzt sah man den Berg in seiner ganzen Pracht, zum ersten Mal auf dieser Reise. Er thronte funkelnd wie ein Diamant im blauen Himmel. Dazu passt natürlich Ernest Hemingway, der die berühmtesten Sätze über diesen Berg geschrieben hat. Sie stehen in dem Buch „Schnee auf dem Kilimandscharo" ganz am Ende, als der sterbende Held mit einem kleinen Flugzeug fortgebracht wird: „Dann begannen sie zu steigen, und sie schienen nach Osten zu fliegen, und dann wurde es dunkel, und sie waren in einem Gewitter, und der Regen war so dicht, dass es schien, als ob man durch einen Wasserfall fliege, und dann waren sie hindurch, und Compie wandte den Kopf und grinste und deutete vorwärts, und dort vor ihnen, so weit er sehen konnte, so weit wie die ganze Welt, groß, hoch und unvorstellbar weit in der Sonne, war der flache Gipfel des Kilimandscharo. Und dann wusste er, dorthin war es, wohin erging." 

Lager 4 auf 4200 Metern mit Gipfelblick
Lager 4 auf 4200 Metern mit Gipfelblick
Kurz vor dem letzten Lager, Barufu Camp auf 4600 Metern
Kurz vor dem letzten Lager, Barufu Camp auf 4600 Metern

Es soll Leute geben, die allein wegen dieser Sätze beschlossen haben, den Kilimandscharo zu besteigen. Kennedy kam zu uns ans Zelt, der Butler, der immer aussah wie der Weihnachtsmann: roter Pullover, weißes Stirnband und eine blaue Schürze, auf der stand: „May I help you?" Er brachte den Guten-Morgen-Tee, strahlte wie üblich und fragte mit sanfter Stimme: „Habt ihr gut geschlafen? Milchpulver? Zucker?"

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