"Lion!" kann Bruce gerade noch leise sagen, während er auch schon abrupt auf die Bremse tritt. So überraschend kommen wir zum Stillstand, dass unsere Köpfe samt umgehängten Fotoapparaten in den Dachluken des für Game Drives hergerichteten Landcruisers hin und her schaukeln wie die ominösen Heckfenster-Wackelhunde aus den 60er Jahren.
Der pubertierende Junglöwe, den wir beim Morgenschläfchen am Straßenrand überrascht haben, scheint die Situationskomik allerdings gar nicht zu würdigen: Über die Störung sichtlich erbost trottet er verschlafen in Richtung Busch und wendet uns beim Markieren demonstrativ die Kehrseite zu, bevor er im Steppengras am Rand der Fisher's Pan verschwindet.
Jedenfalls sind wir heilfroh, dass die Toiletten beim anschließenden Stopp sorgfältig eingezäunt sind - wie fast überall im Etoscha-Nationalpark. Keine Reise für Warmduscher also? Naja, zumindest nicht wortwörtlich: Die Brausesäcke, die nebst Wasserklo und Rasiertisch die nostalgisch-luxuriöse Ausstattung unserer Zelte komplettieren, werden von dienstbaren Geistern allmorgendlich mit heißem Wasser gefüllt. Wer sich vor den beiden Löwenpärchen und dem einzelnen Leoparden, die gelegentlich in der Umgebung des Camps herumstreunen, nicht fürchtet, kann freilich auch eine der gemauerten Außenduschen benutzen und wird dafür mit der unbeschreiblichen Geräusch- und Farbkulisse der Morgendämmerung im afrikanischen Busch belohnt.
Quasi auf Anderssons Spuren erkunden wir die bizarren Landschaften des ehemaligen Deutsch-Südwest sowie dessen opulente Flora und Fauna, unterwegs von Camp zu Camp.
Allerdings nicht zu Fuß wie seinerzeit die großen Entdecker, sondern im bequemen Four Wheel Drive. Eine hingebungsvolle Mannschaft kümmert sich nicht nur um die Zelte, sondern auch um unser leibliches Wohl: Bei südafrikanischem Wein und freiem Blick auf die Wildnis biegt sich allabendlich die Tafel unter herrlichen Barbecues, Pastas oder kalten Büffets.
Bruce Hatten, Präsident und Manager von CCA Namibia, führt (und fährt) uns persönlich auf dieser Safari. „Das ist eigentlich die trockenste Wüste der Welt", sagt der ehemalige Kämpfer der British Army Special Forces grinsend, während ein sintflutartiger Wolkenbruch den Blick aus dem Autofenster unmöglich macht.
Etoscha-Pfanne: Am Elefanten-Laufsteg | Bald oben: Letzter Dünenanstieg etwas südlich des Camps |
Auf monotonen, unendlich langen Geraden durchqueren wir während der nächsten Tage zügig den Norden Namibias; nur ab und an kommt uns ein Auto entgegen - und dann ist es oft geradezu eine unheimliche Begegnung der dritten Art: „Du, ich glaube, ich habe da gerade ein Beetle Cabrio gesehen - gibt's denn das überhaupt?"
So manche deutsche Autofirma nutzt offensichtlich die Einsamkeit und die extremen Bedingungen der namibischen Wüste zum Härtetest für Erlkönige. Vielleicht werden demnächst die zahllosen Moltkestraßen und Kaiser-Wilhelm-Alleen in Namibia zu Daimler Benz Alleys und Ferdinand Porsche Drives.
Mit der viel gerühmten Ingenieurskunst der seinerzeitigen deutschen Kolonialherren war's ja nicht immer so weit her - das Andenken an eine ziemlich dumme Aktion markiert den Eingang des Küstenstädtchens Swakopmund: der mit ungeheurem Aufwand aus Deutschland importierte Dampftraktor „Martin Luther", der seit mehr als 100 Jahren genau an diesem Platz wegen notorischen Wassermangels dahinrostet.
Nach einem Tankstopp in der ehemaligen südafrikanischen Enklave Walvis Bay geht es einen halben Tag lang kerzengerade landeinwärts durch den flachen, steinigen Teil der Namib, bevor wir den Kuiseb Canyon erreichen. Dort versteckten sich die beiden Deutschen Geologen Henno Martin und Hermann Korn bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs über zwei Jahre lang vor den südafrikanischen Truppen, bis sie - ausgezehrt von Hunger, Krankheit und Wassermangel - aufgeben mussten. Später stellte sich die Aktion übrigens als völlig sinnlos heraus: Es hatte sich sowieso niemand für die beiden harmlosen Wissenschaftler interessiert.
Abends gelangen wir zum abschließenden Höhepunkt unserer Reise - der „Sossusvlei Mountain Lodge", der ohne Zweifel stilvollsten Bleibe Namibias. Majestätisch thront die Anlage am Rand des privaten Namib Rand Nature Reserve über einem weiten, mit kargem Steppengras bewachsenen Tal, in dem Springbock und Oryx grasen und das am Horizont von kaum wahrnehmbaren Dünen begrenzt wird: ein atemberaubender Anblick, den man nicht nur vom offenen Restaurant, sondern auch von der panoramaverglasten Dusche des privaten Bungalows aus genießen kann.
Ganz früh am nächsten Morgen geht es per Land Rover zu den nahe gelegenen roten Riesendünen von Sossusvlei, den mit über 400 Metern höchsten der Welt, wie an einer Perlenschnur gereiht entlang einem viele Kilometer langen Wadi. Als wir noch vor Beginn der größten Hitze erschöpft von der Besteigung des höchsten Sandbergs zurück sind, hat unser Guide Watson einen kompletten Brunch herbeigezaubert - mit Müsli, Lachssandwich, Obstsalat und heißem Kaffee. Eine Hundertschaft frecher Spatzen beobachtet amüsiert unser dekadentes Treiben und wartet geduldig auf die Überreste des opulenten Mahls.
Tafelberg: Wurde schon 1972 Nationalpark | Sossusvlei Mountain Lodqe: Sundowner |
Am späten Nachmittag steht dann als besonderer Leckerbissen eine Expedition mit ATVs (All Terrain Vehicles) auf dem Programm. Die ersten Meter auf der eigenartigen Kreuzung aus Motorrad und Buggy sind noch ein wenig unheimlich; langsam knattern wir im Gänsemarsch von der Lodge über eine flurschonend angelegte Piste hinaus in die Weite. Aber spätestens beim Eintreffen am Fuß der ersten Düne haben wir uns an das völlig neue Fahrgefühl gewöhnt und der wilde Ritt in den Sandbergen beginnt, riesigen Spaß zu machen.
Am höchsten Punkt der Dünen gibt es Sundowners („Where's the Champagne?"), bevor wir beschwingt und gut gelaunt bei Sonnenuntergang zurück durch die Savanne brettern. Nach der Rückkehr in die Lodge würden die meisten von uns am liebsten eine zweite Runde drehen - was allerdings dumm wäre, weil uns dann das fantastische Abschiedsabendessen entginge, das die 22-jährige Wunderköchin Andrea aus Kapstadt für uns gezaubert hat: geeiste Rote-Bete-Suppe, Prawns mit afrikanischem Gemüseallerlei, cremiger Chocolate Pot. Über unseren Köpfen leuchtet dazu ein unvergleichlich klarer Sternenhimmel mit dem Kreuz des Südens.
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