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Welt am Sonntag, Sonntag, 15. Oktober 2006
von Martina Wimmer

Hinter jedem Baum ein Löwe

Im Zelt gibt es Cocktails, draußen lauert die ungezähmte Natur: Höhepunkte einer Flug-Safari im Okavango-Delta in Botsuana.

 

Im Zelt gibt es Cocktails, draußen lauert die ungezähmte Natur: Höhepunkte einer Flug-Safari im Okavango-Delta in Botsuana.
Im Zelt gibt es Cocktails, draußen lauert die ungezähmte Natur: Höhepunkte einer Flug-Safari im Okavango-Delta in Botsuana.

Es ist das zweite Mal innerhalb von einer Stunde, dass einem die Luft wegbleibt, auf dem wackeligen Flug von der Kleinstadt Kasane im Nordosten Botsuanas mitten in die Wildnis des Okavango - Deltas. Sechs Passagiere sitzen in der kleinen Brittan Norman Islander, Baujahr 1976, die mit keiner Schweißnaht vorgibt, ein klimatisierter Reisebus zu sein. Im Steigflug schien die Luft plötzlich überraschend frisch - die Tür zur Kabine hatte sich einen Spalt geöffnet. Es ist ein merkwürdig langsamer Moment, in dem man begreift: Das passiert jetzt wirklich, der Himmel ist zum Greifen nah.


Dieses erste afrikanische Abenteuer endete unspektakulär. John Kennedy, der Pilot, drehte sich um, brüllte eine Anweisung bei knatterndem Fluglärm, und ein kräftiger Mitreisender schloss die Tür. Dann war nur noch eines aufregend: die Landschaft unter uns.
Das Okavango-Delta zu besuchen ist ein exklusives Vergnügen. Es gibt zu den schönsten Stellen nur den Weg durch die Luft. Nach der Landung auf breiten Sandpisten mitten im Busch wartet das Personal der Übenachtungscamps auf die Besucher. Es sind nur Zeltunterkünfte erlaubt in der Naturschönheit. Die einzigartige Umgebung verlangt viel Vorsicht, das Okavango-Gebiet ist das größte Binnendelta der Welt, gespeist von einem Fluss, der weit über 1000 Kilometer entfernt im Hochland von Zentral-Angola entspringt.
Der Fluss, der in der Regenzeit von Dezember bis März zu einem gewaltigen Strom anschwillt, versickert südlich des Deltas in der Halbwüste Kalahari. Die Wassermassen, die er mit sich führt, überfluten das Delta erst drei bis vier Monate nach dem Regen, wenn die Sonne das Land fast wieder ausgedörrt hat.

Die Natur dankt den Segen einer zweiten Feuchtperiode mit einer einmaligen Vielfalt. Die gesamte Tierwelt des südlichen Afrikas ist auf der 15 000 Quadratkilometer großen Fläche vertreten: Elefanten, Nilpferde, Zebras, Giraffen, Büffel, Warzenschweine, Antilopen, Löwen, Leoparden, Schakale, Hyänen, Paviane, über fünfhundert Vogelarten und das Nilkrokodil.
Es gibt Papyrussümpfe, Seerosenfelder, rot leuchtendes Grasland, Palmenhaine, dichten Wald und einen Baum, der Leberwurstbaum heißt, mit bis zu acht Kilogramm schweren, wulstigen Früchten, die gegen Syphilis helfen sollen und besonders gern von Elefanten gegessen werden.
Wer also das Glück hat, von einem John Kennedy auf einer einsamen Sandpiste mitten im Busch ausgesetzt zu werden, taucht in eine Welt ein, die so surreal und schön ist, dass man als Zivilisationstrottel kaum glauben mag, nicht in einer Inszenierung gelandet zu sein.

Die Übernachtung in den Camps des Deltas hat ihren Preis, dafür bekommt man größtmöglichen Komfort. Jeder Gast wird persönlich begrüßt, wenn er aus der Wildnis zurückkehrt, und jedes euphorisch geschilderte Großwild Erlebnis wird mit lauter Begeisterung quittiert.

Jeder Tag im Delta zeigt einem erneut die eigene Unwissenheit. Es ist in Afrika nicht immer warm, nicht hier im Süden. Es ist nachts manchmal sogar bitterkalt, bis auf fünf Grad Celsius sinkt das Thermometer. Zur Abhilfe bekommt man Wärmflaschen und zum frühen Weckruf heißen Kaffee gebracht. Denn die Tiere lassen sich am besten in den Morgenstunden beobachten. Nach dem Frühstück schwärmen wir also zur Safari aus, wahlweise per Jeep, per Kanu, per Motorboot oder zu Fuß. Vor der Mittagshitze ziehen sich Mensch und Tier dann wieder in den Schatten zurück. Man genießt Lunch, Siesta und Nachmittagstee im Camp und geht danach wieder auf Safari bis zum Sonnenuntergang.
Wenn das schwindende Licht die Landschaft in ein Farbenmeer verwandelt, dessen Schönheit einem Tränen in die Augen treibt, und dazu ein paar Nilpferde im Abendrot baden gehen, breitet der Guide des Tages vor der Kulisse ein weißes Tuch über einen Klapptisch aus und serviert Gin Tonic.
Im Camp lodert bei unserer Rückkehr schon das Lagerfeuer, ein mehrgängiges Essen wärmt von innen. Zufrieden sitzt man schließlich zusammen und trinkt Amanda, Likör aus der Frucht des Maral Baums. Auch sie gehört zuden Lieblingsspeisen der Elefanten, angeblich werden davon sogar die Dickhäuter besoffen.

Für die Nacht wartet dann das Zelt, das eigentlich keines ist. Es ist ein vornehmes Zimmer mit Holzfußboden und Canvaswänden, mit großen Betten, Schränken, und heißem Wasser im separierten Bad. Wenn man sich irgendwann daran gewöhnt, s auber , gepflegt und mit einem gekühlten Cocktail in der Hand von der zelteigenen Veranda direkt in die Wildnis Botsuanas zu blicken, fängt man womöglich an, sich selbst „Mylady" zu nennen.
Doch die Wildnis wird von uns zu keiner Zeit unterschätzt. Niemand darf nachts allein im Freien sein, jeder Schritt vom Lagerfeuer weg wird von Führer und Scheinwerfer begleitet, weil die eigentlichen Bewohner des Terrains keine Umwege machen . Elefanten rütteln an Bäumen Nilpferde gehen schwimmen, Hyänen haben Hunger. Wir hören sie in nächster Nähe schreien und wissen plötzlich: Der größte Komfort des Zeltes ist der geschlossene Reißverschluss.

Jene Männer und Frauen, die ständig im Delta leben, haben den Respekt vor der Natur nicht verloren. Viele der Führer, die die Gäste in den Busch geleiteten, sind in den wenigen Dörfern des Deltas aufgewachsen. Sie haben das Deuten der Spuren noch von ihren Großvätern und Vätern gelernt. Wie Bee, der eigentlich Bonnentsure Barefro heißt. Er ist 45 und arbeitet seit 20 Jahren als Safari-Guide.

Wir sind früh losgefahren, in das wilde Land hinein, weit vom Camp entfernt will Bee mit uns unseren ersten Löwen aufspüren. Er sei jeden Tag wieder gern dort draußen, erzählt er fröhlich, während er das unverwüstliche Auto leger durch tiefe Wasserläufe steuert, auch wenn manche Gäste eher "anstrengend“ seien. Immer wieder gebe es welche, die trotz Warnung aufspringen, wenn sie das Raubtier endlich sehen - um zu fotografieren. Damit geben sie dem Löwen den klaren Impuls zum Angriff.
Der Jeep ruckelt durch trockenes Grasland, als Bee ruckartig abbiegt und zischt: „Sitzen bleiben!" Er hat uns direkt zum Schlafplatz eines gewaltigen Tieres gebracht. Der Kerl mit der mächtigen Mähne ist keine zwanzig Meter vom Auto entfernt, wir sehen ihn trotzdem erst nach Bees Hinweis. Er fährt näher heran, bis der Löwe den Kopf hebt und kurz die rechte Oberlippe kräuselt. Dass, so Bee, war die Grenze, weiter dürfen wir nicht gehen. Eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Tier und Mensch, der Löwe schläft ruhig wieder ein.

„Botsuana ist das Königreich der Tiere", sagt Bee. Die Sonne versinkt dramatisch im Sumpfland, am Horizont wandern Elefanten. Der Sektkorken knallt. Bee füllt die Gläser. Und auch in diesen Situationen darf man nie vergessen, wo man ist: inmitten unberührter Natur, die voller Überraschungen steckt. Karte Botsuana
Karte Botsuana

Am Flugplatz habe sich vor einigen Jahren eine Amerikanerin vor dem Abheben noch mal erleichtern wollen, erzählt Bee. Hinter dem Baum, den sie sich aussuchte, hätte sie fast eine schlafende Löwenfamilie geweckt. Seither prüfen die Führer jede „Buschtoilette", bevor ein Gast dorthin verschwindet.
Und wer mit dem traditionellen Kanu, dem Mokoro, durch die Papyruswälder und Seerosenteppiche gleitet, vermeidet die angestammten Kanäle der Flusspferde, die das Boot für eine Gefahr und Angriff für die beste Verteidigung halten.
Wenn der Bootsführer in diesen Gewässern kurz beschleunigt und dann stehen bleibt, hat er aber möglicherweise ein anderes Tier im Visier; den marmorierten Riedfrosch, spektakulär in Rot, Schwarz und Weiß gezeichnet und etwa zwei Zentimeter lang. Denn hier im Delta, wo jeder Augenblick ein Staunen ist, gibt es nichts, was zu winzig ist, um ein großes Abenteuer zu sein.

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