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General Anzeiger Bonn, Sonntag, 31. Oktober 2010
Text & Fotos von Holger Willcke

Flussfahrt mit Hippo

Der Nordosten Namibias verspricht keinesfalls ein klassisches Safari-Abenteuer. Die Region ist rau, teilweise unerschlossen und trotzdem eine Reise wert 

Flussfahrt in Namibia
Flussfahrt in Namibia

Auf den ersten Blick wirkt Tsumkwe verschlafen, öde. Der Ort im Nordosten Namibias liegt nahe an der Grenze zu Botswana und ist ein strategisch wichtiger Ausgangspunkt für Reisen in den Khaudum und in den Caprivi-Zipfel. Die Fahrt mit dem Jeep von Windhuk war beschwerlich, staubig.
Hätten wir nicht einen Tag Rast in einem Zeltlager am historisch bedeutsamen Waterberg gemacht,
wir wären vielleicht wieder umgekehrt.


Der Nordosten Namibias ist nichts für Zartbesaitete. Er ist rau, teilweise unerschlossen und verspricht keinesfalls das klassische Safari-Feeling. Wer Löwen, Geparden und Giraffen mit Foto-Garantie sehen und abends an der Bar Gin-Tonic als Sundowner trinken will, der sollte Namibias Klassiker ansteuern: Etosha, Swakopmund und Damaraland.
Dierk, Chef der einzigen Lodge in Tsumkwe und Eigentümer eines für diese Gegend erstaunlich gut ausgestatteten Lebensmittelladens, will die Besucher mit Wortgewalt vom Liebreiz dieser Landschaft überzeugen: „Das Leben hier ist hart. Es gibt keinen Strom, wenig Wasser, alles müssen wir von weit her holen“, sagt Dierk. „Aber ich will nirgendwo anders leben, ich habe hier meinen Frieden gefunden. Die Einheimischen brauchen uns Weiße. Ohne uns fi nden sie sich im veränderten Busch-Leben nicht mehr zurecht. Ihre Traditionen drohen, verloren zu gehen.“
An diesem Abend verpufft sein Redeschwall in der Dunkelheit Tsumkwes. Erst am nächsten Tag, als wir vor der Abreise in den Khaudum noch eine Rundfahrt durch den 2.000-Seelen-Ort unternehmen, verstehen wir Dierk besser. Buschmänner, Damaras, Ovambos und Hereros leben strikt von einander getrennt in den Tag hinein.
Die ersten drei Gruppen in ihren Holzhütten, die in diese Region geflüchteten Hereros in notdürftig gebauten Blechunterkünften. Lethargie liegt über den Dörfern, Müll ringsum ihre Hütten. Nur noch wenige Buschmänner verstehen sich in der Kunst des Jagens,finden Nahrung in der Natur. Die Alten versuchen, der Jugend die Traditionen zu vermitteln. Mit wenig Erfolg: Diskman, Sonnenbrille und vor allem Alkohol bestimmen den Alltag vieler Jugendlicher. Schuld daran ist vor allem die Perspektivlosigkeit. Ohne Arbeit kein Geld, ohne Geld kein besseres Leben.
Das Leben mit ledernem Lendenschurz ist heute nicht mehr vermittelbar. Endlich brechen wir in den Khaudum-Nationalpark auf. Der Wildpark wurde erst 1989 unter Naturschutz gestellt und gilt als das unberührteste Schutzgebiet Namibias. Zwei Tage sollte man sich mindestens Zeit nehmen. Die wenigen Straßen sind holprig und sehr sandig. Es ist ratsam,
in Kolonne und mit vollen Tanks loszufahren. Wer allein unterwegs ist und eine Autopanne hat, kriegt Probleme. Selbst ein Hilferuf mittels Handy ist nicht garantiert, weil es an vielen Stellen keinen Empfang gibt.

 

Blütenpracht
Blütenpracht
Flusspferd
Flusspferd

 
Die Vegetation links und rechts der Sandpisten ist buschig. Tierbeobachtungen sind deshalb schwierig. Wir steuern Wasserlöcher an und stellen sehr bald fest, dass die Wildtiere deutlich scheuer als in der Etosha-Pfanne sind. Die beiden staatlichen Camps, Sikereti im Süden und Khaudum im Norden, sind verwildert, teilweise zerstört.
In Sikereti treffen wir Willem de Witt. Der Manager Director von Namibia Country Lodges (NCL) will beide Camps renovieren. „Wir wollen diese Touren ins unberührte Namibia stärker vermarkten – für Individualisten, die zum zweiten
Mal nach Namibia kommen.“
Wir fahren noch einmal zurück nach Tsumkwe. Dort stoßen wir auf eine Delegation, bestehend aus Europäern und Afrikanern. Sie diskutieren über ein UN-Projekt. Auf ein Gelände am Ortsrand soll eine Solaranlage gebaut werden. Bislang sorgte ein großer Generator für Licht im Ort. Drei Millionen Euro wollen die Vereinten Nationen in die Anlage investieren und 150 Kilowattstunden Strom am Tag produzieren. Dierk hat den Ingenieuren seine Lodge als Unterkunft
angeboten, in den nächsten Wochen sollen die Bauarbeiten beginnen. Am nächsten Tag geht es in den Caprivi-Zipfel. Benannt ist er nach dem deutschen Reichskanzler Leo von Caprivi (1831-1899). Die Fahrt mit dem Jeep wäre zu beschwerlich.

 

Im Gespräch: Frauen vom Stamm der Buschmänner nehmen ihre Kinder zur Jagd mit
Im Gespräch: Frauen vom Stamm der Buschmänner nehmen ihre Kinder zur Jagd mit

 
Wir chartern eine kleine Cessna und fl iegen 75 Minuten lang. Wind und Sonne Namibias sorgen für mehr Thermik, als einem mitteleuropäischen Magen zuzumuten ist. Die Notfall-Tüten fest im Blick taumeln wir Richtung Namushasha. Der Pilot versucht seine Passagiere zu beruhigen: „It’s so bumpy, but everything is alright.“ Trotzdem sind wir froh, als die kleine Maschine auf der Sandpiste aufsetzt. Ein Blick nach rechts, Gelächter bricht aus: Die Flugplatz-Feuerwehr besteht aus zwei gefüllten Sandeimern und zwei Feuerlöschern.
In der Namushasha-Lodge angekommen, begrüßt Frans du Raan, der Marketing-Manager des Unternehmens, die neuen Gäste. Nach dem Begrüßungscocktail springen wir in den kleinen Pool und erblicken dabei den Kwando-River. Beim Versuch, das Nass zu wechseln, stoppt uns Frans: „Das ist viel zu gefährlich, Krokodile und Flusspferde würden mit euch kurzen
Prozess machen.“ Er lädt zu einer Bootsfahrt auf dem Fluss ein. Schilf, so weit das Auge reicht. Seeadler kreisen, Sattelstörche waten durch die Uferzone. Welche Unterschiede: gestern der staubige Nationalpark, heute Wasser im Überfl uss. Schon von weitem ist das Schnaufen der Flusspferde zu hören. Hinter einer Flussbiegung dümpeln sie in ihrem Hippo-Pool. Krokodile sind nicht zu sehen. Deshalb organisiert Frans das Boot noch einmal für Mitternacht. Der Vollmond steht über dem Kwando-River. Eine gespenstisch-schöne Silhouette des Motorbootes schmiegt sich auf die Wasseroberfl äche. Leise und mit einem batteriebetriebenen Scheinwerfer wagen wir uns erneut ins Schilf. Nach wenigen Minuten ein lauter Ruf von Frans: „Da bewegt sich was.“ In der Finsternis ist nur ein felsartiger Buckel zu erkennen.

Unter wütendem Getöse taucht plötzlich ein riesiger Elefantenbulle direkt neben dem Boot auf. Rüssel und Ohren signalisieren eine Mischung aus Panik und Angriff. Wir drehen ab.
Tags drauf kriechen wir wieder in die Cessna und fliegen dreieinhalb Stunden bis Windhoek.  Wir quartieren uns außerhalb der Stadt in einer Lodge auf fast 2.000 Meter Höhe in den Eros-Bergen ein. Über Namibias Hauptstadt liegtbraun-gelber Dunst.
Bedrohlich: Der Elefantenbulle signalisiert seine Angriffslust
Bedrohlich: Der Elefantenbulle signalisiert seine Angriffslust
 
Er stammt von den Buschbränden im angrenzenden Botswana. Der Sprung in den Pool gleicht einem Tauchbad in Finnland. Eiskaltes Wasser hatten wir nicht erwartet. Aber in dieser Gebirgslandschaft wird es selbst im Sommer nachts kalt.
Nach dem Bummel durch die Innenstadt und dem Besuch der 1907 in der Kolonialzeit von Deutschen erbauten Christuskirche stehen wir plötzlich in der Hans-Dietrich-Genscher-Straße. Der frühere deutsche Außenminister genießt in Namibia
hohes Ansehen, weil er sich für die Selbstständigkeit der ehemaligen deutschen Kolonie eingesetzt hat. Nach diesem Ausflug in die pseudo-deutsche Heimat geht es wieder ins schwarze Afrika: in die Slums von Windhoek, genauer gesagt die Okahandja Park Soup Kitchen. Das Hilfsprojekt wird von Hand in Hand for Children in Deutschland unterstützt. Große
RAFRIKA Kinderaugen mustern uns, rufen dann freundlich: „Hello Mister.“ 400 Kinder werden dort mit einer warmen Mahlzeit täglich versorgt. Die Helferinnen versichern, dass es die einzige Mahlzeit der Kinder am Tag ist.
Unweigerlich schießen die Gedanken zurück nach Tsumkwe zu den Buschmännern. Deren Kinder leben zwar auch in Hütten, aber sie wirken irgendwie anders, zufriedener. Sie leben im Schoß einer Familie. Die Kinder in den Slums von Windhoek sind nicht selten Waise, HIV-infi ziert oder an TB erkrankt.
Die Stimmung wird nachdenklich. Im Flugzeug Richtung Frankfurt läuft der Trip noch einmal im Schnelldurchlauf ab: wenig wilde Tiere, viel Staub, Natur pur, Klappbetten am Waterberg, kranke Kinder in Slums. Namibia, abseits der
touristischen Trampelpfade.

 

Karte Namibia
Karte Namibia

Anreise

Mit Air Namibia ab Frankfurt bis Windhoek. Der Flug dauert circa neun Stunden

Reisezeit

Ganzjährig. In der Regenzeit (November bis April) zeigt sich die Pflanzenwelt von ihrer üppigsten Seite. Die Trockenzeit (April bis
November) eignet sich besser für die Tierbeobachtung

 

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