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Berliner Zeitung, Samstag, 2. Februar 2002
Text & Fotos von Martenson Sten

Wer kommt schon nach Botswana, um Gras zu sehen?

Das Land im Süden Afrikas setzt auf zahlungskräftige Touristen

 

Ein Sonnenuntergang vom Feinsten
Ein Sonnenuntergang vom Feinsten

 

Keiner von uns fühlt sich eigentlich sehbehindert. Doch immer, wenn Kim den Namen irgendeines Tieres ruft, antwortet ihm ein dissonanter Chor: "Wo? Wo? Wo?". Gesten nützen nichts, denn Kim sitzt ein wenig tiefer am Steuer des Toyota Cruisers und ist unseren Blicken entzogen. Dann aber tritt Paul, unser deutscher Reisemanager, in Aktion und gibt Hilfestellung: Kudus auf halb zehn und unsere Köpfe rucken schräg nach links, dorthin, wo der Uhrzeiger steht, wenn diese Zeit angesagt ist. Kim, der junge Safariführer aus Kapstadt, sieht sie alle lange vor uns; die Gepardenfamilie unter dem Mopane-Baum, die Oryx-Antilopen hinter dem Buschwerk, den Felsenwaran im kniehohen Gras oder die Mamba, wie sie blitzschnell über die Piste schlängelt. Zwar liegt neben dem Fahrersitz ein leistungsstarkes Fernglas. Benutzt wird es aber nur von uns "Wo?"-Fragern, die zunächst nur mit dieser optischen Sehhilfe die Safari in Botswana genießen können.


Botswana, dem vor. 30 Jahren reichliche Diamantenfunde einen bescheidenen Wohlstand bescherten, ist auch reich an Tieren. Und dieser Reichtum ist gefährdet - im Wesentlichen durch den Menschen. Es ist geradezu ein Segen, dass das Binnenland im südlichen Afrika gut anderthalbmal so groß wie Deutschland, aber nur von knapp anderthalb Millionen Menschen bewohnt - nicht auf jeden Devisendollar angewiesen ist. Und so haben sich die Politiker der ungewöhnlich stabilen botswanischen Demokratie entschlossen, nicht auf den Massentourismus zu setzen, sondern auf hohe Preise, für die der Besucher nicht nur viel Natur, sondern auch zahlreiche der Annehmlichkeiten des Lebens geboten bekommt, die er von zu Hause in Europa oder Amerika gewohnt ist.

Wer sein Erspartes in einen Botswana-Trip zu Lande, zu Wasser und in der Luft investiert, wird mehrfach entschädigt: durch ein einmaliges Afrika-Erlebnis, auch wenn nicht mehr ganz so "naturecht" wie es die Herren Livingstone und Rhodes vor gut hundert Jahren hatten. Die Gefahr durch den Massentourismus scheint gebannt. Ein Dorn im Auge der schwarzen und weißen Wildhüter und Naturschützer sind jedoch die Großwildjäger. 50 000 Dollar lassen einige springen, um einen Elefanten zu schießen. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Jagdverbot für Löwen erlassen. Fox, der erfahrene Safariführer der Nxabega-Lodge im Okavango-Delta fürchtet dennoch, dass seine Regierung Gefallen an dieser Geldquelle finden könnte und wilde Tiere zur Rarität werden. "Und wer kommt schon nach Botswana, um Gras zu sehen?"

 

Auch ein Ziel für Flugzeuge
Auch ein Ziel für Flugzeuge
Kleine Pflanze, große Knolle. Zu einem Brei gerieben und ausgepresst, hilft sie den Durst löschen.
Kleine Pflanze, große Knolle. Zu einem Brei gerieben und ausgepresst, hilft sie den Durst löschen.

Maun, ein kleines Städtchen zwischen Okavango-Delta und Kalahari ist die Drehscheibe für Botswanas Safari-Tourismus. Von hier starten die Lufttaxis diverser kleiner Gesellschaften zu den Lodges und Camps, die über Land nur mühsam und zeitaufwändig zu erreichen wären. Die kleinen Cessnas, meist von jungen Südafrikanern, Amerikanern, aber auch Schotten und Iren geflogen, starten und landen auf fest gestampften Lehmpisten oder holprigen Schotter-Airstripes, sie umfliegen Gewitterfronten und finden in der unvorstellbaren Weite des Landes sicher ihr Ziel.

So auch das Deception Valley, Tal der Täuschung, im Norden des Kalahari Game Reserve. Es ist kaum zu fassen: Die Kalahari ist grün. Von Wüste keine Spur. Der Tisch für die Pflanzen fressende Tierwelt ist reich gedeckt. Noch im November hat es geregnet. Malaki und Xhose, zum Volk der San gehörend, das von den Afrika-Entdeckern fantasielos Buschleute genannt wurde, demonstrieren uns im knapp sitzenden Lederschurz, wie ihre Vorfahren in der oft ja auch unwirtlichen Kalahari überlebten: Mit Pfeil und Bogen und mit dem Speer wurde Wild erlegt. Fingerfertig lassen sie mit Hilfe von quirlartig gedrehten Stöckchen und pulvertrockenem Gras Feuer entstehen. Das kaum wahrnehmbare Bi-Pflänzchen entpuppt sich als riesige unterirdische Knolle, die - wie zu rohem Kartoffelbrei gerieben - leicht säuerlich, mineralhaltiges Wasser spendet. Wasser war das Problem der San, wenn der Regen monatelang, ja manchmal jahrelang ausblieb. Die Bi-Pflanze war eine stille Reserve, eine andere waren ausgeblasene Straußeneier, die in guten Zeiten mit Wasser gefüllt und vergraben wurden.

 

In diesem Jahr aber war das Wasser nicht knapp. Die Tiere zieht es nicht an die letzten Wasserlöcher. Kims scharfer Blick muss auf Entdeckungsreise gehen. Und nachdem sich die Freude über noch einen um das Fahrzeug streunenden Schakal und noch einen gravitätisch stolzierenden Sekretärvogel gelegt hat, ist es Zeit für den Sundowner. Ist die Sonne am fernen Kalahari-Horizont oder hinter den ausladenden Schirmakazien am Okavango rotglühend verschwunden, fällt abrupt die Dunkelheit über uns. Kim findet - Gott sei Dank - ohne Probleme zurück ins Camp.

Karte Botswana
Karte Botswana

 Diese Art zu reisen hat Konjunktur. Auf der Terrasse einer luxuriösen Lodge zu sitzen, unter leise brummenden Ventilatoren stilvoll zu speisen und dabei den scharf parfümierten Duft des Insektenvertreibungsmittels einfach zu ignorieren, hat etwas. Aber mitten in einem Wildreservat vor den mannshohen Iglu-Zelten am Lagerfeuer zu sitzen und fast körperlich zu spüren, dass man aus der Dunkelheit heraus von Tieren beobachtet wird, ist zweifellos das urwüchsigere Erlebnis.

Reisende können zwischen diesen Varianten wählen. Ernest Hemingway hat dem gehobeneren Modell postum seinen Namen geliehen: in Zelten übernachten, ohne auf die Segnungen europäischer Sanitäranlagen und eine gut bestückte Bar verzichten zu müssen. Die einfachere Variante kommt den Entdecker-Gefühlen eines David Livingstone natürlich näher. Sorgen, es könnten unter den Tieren, die um das Camp streifen angriffslustige Exemplare der afrikanischen Tierwelt sein, verscheucht Kim mit überzeugenden Worten und Gesten. Feuer schrecke ab und mit den Zelten wüssten die Tiere nichts anzufangen. Irgendwo brüllen ein paar Löwen. Kim sagt, es sei sehr weit. Das laute Schmatzen der Flusspferde, die nachts gern außerhalb ihres vertrauten Wassers grasen, vermag nicht wirklich zu beruhigen. Wer nachts natürlichen Bedürfnissen nachgeben müsse, solle sich halt vorsichtig entlang des Lichtstrahls seiner Taschenlampe zum Plumpsklo hinter der Zeltplane schleichen, schärft Kim uns ein. Bliebe die Frage, ob die Tiere Kims Regeln kennen und sie auch respektieren...

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