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Badische Zeitung, Freitag, 26. November 2010
von Johannes Bachmann

Blind vor Glück

Die Jagd nach Legenden: Auf Safari in Namibias
Khaudum-Nationalpark und im Caprivi-Zipfel

Zuhause imNirgendwo: Buschmänner vomStamm der Ju/Hoansi-San in ihrem Wohnzimmer
Zuhause imNirgendwo: Buschmänner vomStamm der Ju/Hoansi-San in ihrem Wohnzimmer

Ein Ort, wie gemacht, um sich für immer zu verstecken, auf den zweiten Blick zum Sterben schön: das ist der Khaudum, Namibias wildester Nationalpark im Norden der Omaheke-Wüste an der Grenze zu Angola und Botswana. So groß wie dieInselMauritius, rau, unberührt und unzugänglich.
Ein Sehnsuchtsziel. „3500 Elefanten, 500 Giraffen, Löwen, rudelweise. Und natürlich Schlangen“: Simon (32), hochgewachsener Fährtenleser vom Volk der Kawa, erzähltmit leuchtenden Augen
von seinem Paradies.Wir fiebern, die Kamera schussbereit.


Wie Geier hocken wir auf dem zehnsitzigen indischen Geländewagen, den Simon stoisch wie ein Kutterkapitänmit zugeschaltetem Allradantrieb über knöcheltiefe Sandpfade durch knochentrockene Täler und über verbuschte Höhen schippert. Wir sehen: nichts. Wedermorgens um neun, noch gegen zwölf. Keine Elefanten, null Zebras. Giraffen, wo? Der Khaudum scheint frei von Biestern.
Simon spürt die wachsende Ungeduld, stoppt denWagen an einemWasserloch und raunt amüsiert nur ein Wort: „Afrika.“Wir fühlen uns ertappt. Ein „Game drive“, die Tierpirsch, ist kein Computerspiel. Klicken, ablegen, speichern: In der Wildnis des Khaudum versagen alle Techniken der dotcom-Generation. Es gibt nur eine Lösung. Hektik löschen, Erwartung runterfahren, Kopfkino aus. Wir rasten im mächtigen Schatten einer Schirmakazie. Dösen. Eine Stunde, zwei Stunden, drei – und entdecken die Lust an der Langsamkeit. Wildbienen surren um die Ohren, aus dem Blätterdach lugt keck ein dackelgroßer Gelbschnabeltoko. Wir warten. Der Tag geht. Als die Sonne hinter  struppigem Gebüsch abtaucht, wird er wahr, unser Traum. „Elefanten auf halbeins“, flüstert Simon und deutet auf den Hügel zu unserer Rechten. Der Boden bebt, die Luft vibriert, der Himmel stinkt – nach Elefantenkot.
Dann sehen wir sie. Flanke an Flanke,mitwehendenOhren, die Rüssel wie Fragezeichen zwischen mächtige Stoßzähne geklemmt. Zwei Dutzend graue Riesen. Der güterzugschwere Tross rollt in Zeitlupe ins Wasserloch. Die fröhliche Plantscherei wird einWechselbad. Für uns.Mit großen Gefühlen. Als die Nacht alle Konturen auflöst, sind wir zurück im Sikereti-Camp, das nach einer
Generalsanierung im Frühjahr 2011 der Ausgangspunkt für Khaudum-Abenteurer werden soll: ausgestattet mit Duschen und WC und Plattformen aus Hartholz, auf denen luxuriös ausgestattete
Zelte Platz finden. Selig verdrücken wir mächtige Fleischlappen „Braii“, die Steven über offenem
Feuer gebrutzelt hat und blinzeln über das lodernde Lagerfeuer in den Sternenhimmel. In unserem Rücken tausend Augen. Wir sehen sie nicht. Weil wir blind vor Glück träumen: von Namibia. Adieu Büro!Wirwerden verdursten. In dieser staubtrockenen Welt, gepiesackt von Dornen, gedörrt von der Sonne, mitten im Nirgendwo in den Ausläufern der Omaheke. Hier gibt es nichts. Keinen Ausweg, keinen Therapeuten – aber einenMann, der einen Schattenwirft, klein wie ein Kind und uns befreit aus unserem Alptraum: Xx’oshe. Am Fuß des mächtigen Affenbrotbaums begrüßt uns der schmächtige Buschmann, dem der linke Arm fehlt, mit freundlichen Klick- und Schnalzlauten. Zwei Dutzend Männer und Frauen und eine Handvoll Kinder vomStammder Ju/Hoansi-San hat ermitgebracht, um uns die Augen zu öffnen für im Nichts verborgenen Überfluss. „Khoikkhoi“,
„wahre Menschen“, nennen sich dieUreinwohner, die seit 25000 Jahren imSüden Afrikas als Jäger und Sammler in Sippenmit flacher Hierarchie leben und unsmitnehmen auf einen dreistündigen
Rundgang durch ihr Wohnzimmer.

 

Wie beiläufig puhlen die Ju/Hoansi die „Houdia“, eine violette Buschkartoffel, aus dem  staubtrockenen Boden, schnippen braune Larven und Insekten von Dornbüschen, umsie genüsslich zu vertilgen, mörsern imRückenwirbel einer Giraffe toxische Kerne. Die Paste macht aus den an  Kinderspielzeug erinnernden Pfeilen Waffenmit tödlicher Fracht. Dackelgroßer Nashornvogel: Im Baum sitzt ein Gelbschnabel-Toko.
Dackelgroßer Nashornvogel: Im Baum sitzt ein Gelbschnabel-Toko.

 
 Das ist Folklore, natürlich. Und doch von großer Wahrhaftigkeit. Plötzlich ist Xx’oshes Sippe verschwunden – hinter einer  Dornenhecke. Auf der Suche nach dem Wasser ihres Lebens haben diewahrenMenschen uns  vergessen. Scharrend, bohrend, schnatternd fördern sie ellenlange Knollen zu Tage – die „Kombro“, eine Riesen- Wasserwurzel, deren saftiges Fruchtfleisch nach Rettich und Melone schmeckt. Während Xx’oshe grinsend schlürft, erzählt er die Geschichte seines linken Armes, den er vor vielen Monden in einem archaischen, nicht enden wollenden bizarren Todestanz verloren hat. Zwölf, dann 36 Stunden hetzt er den massigen Kudu. Statt kilometerweit ins Leben zu fliehen, verharrt der stattliche Bock alle 50Meter.Opfer und Jäger scheinen durch ein magisches Band verbunden. Xx’oshe setzt nach. Tausend Mal, in einemMarathon aus nicht enden wollenden Sprints. Als sich der zweite Tag neigt, wähnt er sich amZiel. JedenMoment, das spürt er, wird der Kudu  zusammenbrechen.
Zu Tode erschöpft. Xx’oshe setzt zum letzten Spurt an – und rammt sich beimSturz in ein Erdloch den Pfeil in den linken Unterarm. Das Gift, es kriecht wie eine Schnecke. Zum rasenden Herzen. Xx’oshe handelt ohne Zögern, windet eine Schlinge um den Oberarm und greift zum Messer.  AmnächstenMorgen finden ihn die Ju/Hoansi. Lebend. Und ergraut über Nacht. Soweit die Legende. Die Realität ist nicht minder schmerzhaft. „Ein Buschflieger hat Xx’oshe damals nach Windhoek gebracht“, erzählt Simon die Geschichte zu Ende. Dort wurde ihm der Arm amputiert. Ist das die  Wahrheit? Simon grinst. „Das ist Afrika.“

 

Güterzugschwer auf dem Weg zum Wasserloch: eine Elefantenherde im Khaudum-Nationalpark
Güterzugschwer auf dem Weg zum Wasserloch: eine Elefantenherde im Khaudum-Nationalpark

 Kurs Nord-Nord-Ost: Steine spritzen über die Piste, dann sind wir sie los, die Erdenschwere von Tsumkwe. Die 30 Jahre alte sechssitzige Cessna hüpft wie ein Springbock durch thermische
Fallwinde hinein in einen Flaschenhals, gefülltmit prallem, vomKwando-Fluss gespeistem
Leben: den Caprivi-Streifen, einen 400 Kilometer langen Landkorridor, wie ein Hosenträger zwischen Angola und Botswana gespannt bis zumSambesi. Ein Zipfel deutscher Geschichte, vor 120
Jahren von den Engländern imTausch gegen Sansibar nebst Helgoland an das vom damaligen Reichskanzler Leo von Caprivi geführte deutsche Reich verhökert. „Caprivi?
Alles Namibia“:MitHistorie hat Willem de Wet, unser Pilot („ich wollte Supermarktmanager werden“), nichts am Hut.DenKrebs hat er besiegt.Heute ist er Mitinhaber der sechs Namibia-Country- Lodges. Sein Leben gehört dem Himmel. Am liebsten dann, wenn der sich wehrt. „Bumpy“ (ruppig) werde die Luftfahrt, sagt Willem vergnügt. Der Höhenmesser zittert bei 7500 Fuß. Unter uns endlose
Weite. Platt. Ausgedörrt.Ockerfarben. EineWelt, nach Regen dürstend, von Flammen bedroht. Am Horizont lodern an der Grenze zuAngola drei Buschfeuer, Rauchrüssel gieren wie auf den Kopf gestellte Tornados nach den Tragflächen. Abwärts: Aus brauner Ödnis wird ein Paradies in Türkis – der Kwando. Willem drückt die Cessna in einer kühnen Messerkurve tief über den durch schütteres
Grün kriechenden Strom. Am Ufer wabert eine graue Wolke: Elefanten, flankiert von  Parallelogrammen im Passgang: Giraffen. Die Cessna kommt auf einermit Elefantendung markierten Schotterpiste vor der Flughafenfeuerwehr zum Stillstand: zwei Feuerlöscher, zwei Eimer
Sand. Keine Schaufel. 

 

Gut gerüstet: die Flughafenfeuerwehr imCaprivi-Zipfel
Gut gerüstet: die Flughafenfeuerwehr imCaprivi-Zipfel
„Er wurde amnächstenMorgen gefunden – in zwei Krokodilen“ Die Namushasha-Country-Lodge ist ein Ort, um sich zu verlieren: 23 reetdachgedeckte Bungalows beherbergen Zimmer mit turmhohem Giebel, die Platz zum Tanzen bieten. In der Küche: Gutshofqualität. Die Bar: ein Altar für jeden Sundowner. Draußen vor der Tür: Afrika und der Kwando.  Charmant vorgestellt von Bardame Sonnetty und Alfred, die fingerfertig aus Papyrus Seile zwirbeln,Wasserlilien zu Hüten  umfunktionieren, uns eine Kette Seerosen umden Hals legen und uns mitnehmen zu einer Bootstour über den Strom. Vorbei an brütenden Blaustirnblatthühnchen, Sattelstörchen, einem zankenden Pärchen Schreiseeadler und Ellipsen-Wasserböcken, die ihr Gehörn blasiert in die Mittagssonne recken.

Und dann hören wir sie, noch ehe wir sie sehen. Flusspferde, knarrend wie ungeölte Scheunentore. Sieben Hippos, grunzend, furchteinflößend. Ungeniert furzend umringen die großmäuligen Kampfmaschinen einen Albino: Miss Piggy, ein pinkfarbenes Flusspferd.
Um Mitternacht lockt das letzte Abenteuer des Tages. „Krokodile suchen“ will Willem und erzählt beiläufig die Geschichte jenes dynamischen Lodge-Managers, der nach seinem ersten Arbeitstag
und einem Trinkgelage als letzte Lebensleistung den Kwando bei Nacht durchschwimmen
wollte. „Am nächsten Morgen“, sagt Willem leichthin, „wurde er gefunden. In zwei Krokodilen.“
Der Außenborder schiebt uns blubbernd unterm Vollmond über das tintenschwarze Nass des Kwando hinein in einen Konzertsaal mit furios besetztem Orchester. Zigtausend Glockenfrösche klöppeln rhythmisch wie Lionel Hampton auf ihren Kehlsäcken. Im lauen Wind wimmern Schilfgras und Papyrus wie Bratschen. Moskitos sirren. Unsere Ohren – besoffen. Das Boot gleitet sacht über den träge mäandernden Strom. Und dann ist er da, derWimpernschlag desGlücks – als schwimmender Koloss. Ein U-Boot? Dafür ist der Schnorchel zu lang.Wir stören einen Elefanten beim Nachtbad. Der Bulle stellt die Ohren auf, reckt den Rüssel und verschwindet mit  protestierendem Trompetensolo. Sonnetty holt seufzend Luft und sagt – nichts: Es gibt Nächte im
Leben, die brauchen keineWorte.

 

NAMIBIA

Das Traumziel:
Beste Reisezeit für Flug-, Fluss- und Zeltsafaris in den Khaudum und den Caprivi-Zipfel ist die Trockenperiode von Mai bis Oktober. Für Offroad-Fahrten in den Khaudum sind mindestens zwei Fahrzeuge vorgeschrieben, die gemeinsam reisen müssen.

Reiseveranstalter:

Der Namibia-Spezialist
„Afrika-Reisen-Exklusiv“
(Karl-Simrock-Straße 64, 53604 Bad Honnef)
bietet maßgeschneiderte und individuell
geplante Flug-, Lodge- und Zeltsafaris
in den Khaudum und den Caprivi.

Kontakt:
www.afrika-reisen-exklusiv.com,
kontakt@afrika-reisen-exklusiv.com,
02224/900363.

Karte Namibia
Karte Namibia

 

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